Zukunftsforum Berlin
Ideenskulptur zum Areal des Berliner Stadtschlosses / neuere Fassung (2004) bitte hier klicken
Berlins Mitte – Museum oder Zukunftsforum?
Die Empfehlung der Expertenkommission zum Areal des Berliner
Stadtschlosses stellt sicherlich einen großen Fortschritt im Vergleich
zu den entsprechenden Diskussionen der vergangenen Jahre dar. Doch sie
kann all jene, die nachhaltig und zukunftsorientiert denken, nicht
annähernd befriedigen. Denn durch den anhaltenden allgemeinen
Innovationsstau ist deutlich, dass in die Zukunft anstatt in die
Vergangenheit investiert werden muß. Angesichts der Empfehlung der
Expertenkommission stellt sich daher die Frage, ob sich unsere
Gesellschaft eine so hohe Investition in Vergangenheiten leisten darf,
während gleichzeitig das auf Zukunft orientierte kulturell und
künstlerisch avancierte „Humankapital“ noch tiefer ins finanzielle
Abseits fallen gelassen wird.
Ich beantworte diese Frage mit einem klaren Nein. Wenn solch riesige
Investitionen notwendig sind, so sollten sie an diesem zentralen Ort
präzedenzfallartig zur Auflösung des allgemeinen Innovationsstaues und
für die Gestaltung der Zukunft eingesetzt werden.
Diesen Ideenentwurf möchte ich als den Beginn einer integralen
Ideenskulptur in progress verstanden wissen. Sie soll dazu beitragen,
die Diskussion um den Berliner Schloßplatz neu zu entfachen. Alle, die
die Neuerrichtung der Schloßfassade und das Konzept der
Expertenkommision (die dort Sammlungen aus vergangenen Zeiten aufleben
lassen will) ablehnen, sind aufgerufen, sich an der Entwicklung dieser
Ideenskulptur zu beteiligen und sich für das Zukunftsforum Berlin stark
zu machen.
Mit der integralen Ideenskulptur soll ein Modell gebildet werden, mit
zukunftstragfähige Ideen, Ansatze und Konzepte Schritt für Schritt so
miteinander in Einklang zu bringen wären, dass sie zahlreiche Synergien
bilden und zu einem vitalen Ausdruck eines integralen
Zukunftsbewusstseins werden.
Bitte
zögern Sie nicht, Ihre für ein Zukunftsforum Berlin relevanten Ideen,
Überlegungen sowie möglichen Aktivitäten zu formulieren und mitzuteilen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich damit an der Durchsetzung des ZUKUNFTFORUM BERLIN beteiligen möchten.
H. Johannes Wallmann, Berlin, im Juni 2002
H. Johannes Wallmann
Zukunftsforum Berlin
Ideenskulptur zum Areal des Berliner Stadtschlosses
Das Zukunftsforum Berlin ist gedacht als ein internationales
Innovationszentrum für Kultur, Kunst, Wissenschaft und Technik und soll
das Ziel verfolgen, differenzierte Vorstellungen von der Zukunft der
Menschheit sowie entsprechend integrale Strukturmodelle zu sichten, zu entwickeln
und öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren. Als kulturelles
Innovationszentrum fungiert das Zukunftsforum Berlin als eine
Plattform, um zur öffentlichen Kommunikation kulturell innovativen
Bewusstseins beizutragen.
Transkulturelle Verständigung Kultur konfiguriert die Gemüter. Ihre Qualität birgt den geistigen Schlüssel für eine innovative Entwicklung transkultureller Qualitäten sowie zur Lösung vieler globaler Probleme. Daher soll ein Schwerpunkt des Zukunftsforums auf der Entwicklung und Praktizierung von Modellen kulturell innovativer Kommunikation und transkultureller Verständigung liegen. Die avancierten Künste, die nicht selten den Künsten primitiver aussereuropäischer Kulturen ähnlich sind, lassen erahnen, dass ein Grundvokabular transkultureller Verständigung vorhanden ist. Die Kunst der bisherige Moderne hält dafür zahlreiche Beispiele bereit. Entsprechend wäre in das praktische und philosophische Know how der Künste zu investieren.
Warum kulturelle Innovation?
Jede Gesellschaftsordnung bedarf einer Kultur, durch die ihre Resonanz-
und Konsensbildung sowie ihre integrale Intelligenzübertragung
gesichert wird. Veraltete kulturelle Strukturen verhindern, dass dies
zukunftstragfähig geschehen kann. Eine Gesellschaft, deren kulturelle
Strukturen veraltet sind, ist auf Dauer nicht zukunftsfähig. Auch braucht moderne Demokratie eine Kultur, mit der sie ihre allgemeinen Werte effektiv zu kommunizieren vermag.
Worauf könnten die zentralen kulturellen Werte von Demokratie beruhen?
Als Grundwert der modernen demokratischen Gesellschaft kann die
Weitergabe und Unterstützung von organismischen Lebensformen und
integraler Intelligenz (ein Gedanke nach Buckminster Fuller) sowie die gemeinsame Suche nach teleonomisch
fittesten Lösungen gelten. Nur mit einem entsprechend entwickelten kulturellen Wertekanon sowie ad äquaten kulturellen Strukturen wird die demokratische Gesellschaft nicht in die Eigendynamiken von Einzelinteressen zerfallen.
Inter- und transdisziplinäre Aufgaben und Strukturen Buckminster Fuller schreibt in „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“: „Alle anderen Lebewesen sind für hochspezialisierte Aufgaben bestimmt.
Nur der Mensch scheint als komprehensiv Verstehender zur Koordination
der lokalen Angelegenheiten des Universums geeignet“. Im Zentrum der Aufgaben des Zukunftsforums soll daher die öffentlickeitswirksame inter- und transdisziplinäre
Kommunikation stehen. Entsprechend soll das Zukunftsforum Plattform eines weitverzweigten – auch virtuell arbeitenden – internationalen
Netzwerkes inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit sein. Die großen Fragen der Moderne, die kulturellen Urmysterien des Menschseins, dynamische Selbstorganisations- und Austauschsysteme, aber auch der Bedeutungswandel der Farben, Formen, Klänge in den Künsten, die kulturelle und ökologische Problematik oder die Chancen und Folgen von Gentechnologien,
Nanotechniken, Informations- und Überwachungstechniken könnten Themen des Zukunftsforums sein.
Multimediale Ausstellungen, Kongresse, Tagungen
Für die öffentliche Kommunikation der gesellschaftlich relevanten
Zukunftsfragen soll mit Veranstaltungen aller Art, multimedialen
Ausstellungen, Kongressen, Tagungen und Performances zu den
verschiedenen inter- und transdisziplinären Forschungs- und
Entwicklungsthemen ein möglichst großes Publikum angesprochen werden.
Performances-Center
Im Performances-Center werden Wissenschaftsfilme und Experimentalfilme,
Raummusik, Neue Musik, multimediale Künste, Jazz und freie
Improvisation, Tanz- und Theaterperformances, Klang- und
Lichtinstallationen, Literaturlesungen sowie philosophische,
wissenschaftliche, künstlerische Ausstellungen und Vorträge
veranstaltet.
Dieses Performances-Center umfasst 6-12 Veranstaltungsräume mit je ca.
80-120 Plätzen, so dass (vergleichbar einem Kino-Center) an jedem Tag
bis nach Mitternacht in unterschiedlichen Räumen Veranstaltungen zu
gleicher Zeit laufen können. Es wird dadurch ein interessanter
themenbezogener öffentlicher Diskurs über die Gegenwart und Zukunft der
Menschheit geführt werden können.
Spezialbibliothek und Restaurantstrukturen
Eine interdisziplinär ausgerichtete internationale Spezialbibliothek
sowie ein Internet-Café sollte im Zukunftsforum ebenso
selbstverständlich einen Platz haben, wie angemessene
Restaurantstrukturen.
Integral-Games
Um tatsächlich zu einer transkulturellen Praxis zu gelangen, verfolgt
das Zukunftsforum die Idee der Integral-Games. Die Integral-Games knüpfen kritisch reflektiert an der Glasperlenspiel-Idee von Hermann Hesse an. Durch Integral-Games
werden die unterschiedlichen Formen und Funktionen aus den Religionen,
Philosophien und Weisheiten, den Künsten und Wissenschaften der
verschiedenen Kulturen zueinander in Relation gesetzt. Mit
Integral-Games sollen in Klang und Form und Farbe die abstrakten (oder
auch konkreten) Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Weltkulturen
sowie die kosmischen und organismischen Aspekte menschlichen Lebens auf
eine grundsätzliche und doch schlichte Art sinnlich erfahrbar werden.
Die Wahrnehmung z.B. von Supernova, die Funktionen z.B. Schwarzer
Löcher im Weltall, wissenschaftliche Aspekte z.B. der Chaos- und
Stringstheorien werden dabei ebenso eine Rolle spielen, wie die
menschliche Kreativität selbst oder wie die – mit der Idee der
„world-games“ von Buckminster Fuller angeregten - Simulationen z.B. von
ökologischen, ökonomischen, kulturellen, demographischen, genetischen,
technischen Problemen und Problemlösungen. Die Integral-Games, die eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit
voraussetzen, könnten zu zentralen öffentlichen Höhepunkten der
gesamten Arbeit des Zukunftsforums werden und zu einer großen Medienöffentlichkeit gelangen.
„Wir leben in einem als Einheit beschreibbaren ökologischen System mit
selbstgemachten Problemen, aber auch inhärenten Lösungsansätzen. Es
muss jedoch ein Vorstellung vom Ganzen geben, um richtige Teillösungen
zu finden.“ (Joachim Krausse zu Buckminster Fullers World Game) - s.a.: www.integrale-moderne.de
Sammlungen aussereuropäischer Kulturen
Zwar gilt es die Prioritäten auf das Zukunftsforum zu konzentrieren,
doch könnten dem Zukunftsforum im sogenannten „Überlauf“ (wie es
neulich in einer Rundfunksendung zum Berliner Schlossplatz-Areal hiess)
die Sammlungen aussereuropäischer Kulturen und ggf. weitere
Ausstellungen angegliedert werden. Denn sowohl im Hinblick auf die
Zukunft der Globalisierung als auch im Hinblick auf die konkrete
deutsche Vergangenheit würde es Sinn machen, aussereuropäische Kulturen
im Zentrum der deutschen Hauptstadt zu verankern.
Da im Zeitalter der Globalisierung zudem eine zukunftsorientierte
Kultur als solche nur funktionieren wird, wenn sie transkulturelle
Dimensionen erreicht, darf der Vergleich der Kulturen, die
Erschliessung aussereuropäischer Weisheitsreservoire sowie die
Hinterfragung von deren Relevanz für die Innovation der europäischen
Kultur als hinreichend wichtig gelten. (Nicht nur, weil sich eine
interessante Verbindung zu den Integral-Games ergeben würde.)
Generalplanung des gesamten Areals
Natürlich betreffen die Planungen um den Schloßplatz die Fragestellung
nach einer Generalplanung des gesamten Areals vom Alexanderplatz bis
hin zur Bauakademie, unter Einbeziehung von Marstall und altem
DDR-Staatsratsgebäude. So gesehen könnte davon ausgegangen werden, dass
viel Platz vorhanden ist. Das Konzept des Zukunftsforums wäre
entsprechend zu konkretisieren und zu erweitern, bis hin zur Funktion
einer neuen Bauakademie, einem technischem Innovationszentrum oder
Ausbildungsstätten ökolonomischen Wirtschaftens.
„Nichts ist politischer als Kulturpolitik“
Dieser Satz wurde kürzlich in einer Rundfunksendung von Prof.
Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer
Kulturbesitzes, geäussert. Prof. Klaus-Dieter Lehmann - dessen Idee
der Verlegung der Aussereuropäischen Sammlungen in das Schloßareal das
Gutachten der Expertenkommission wohl am wesentlichsten prägte - hat
damit völlig recht; wenn vielleicht auch etwas anders, als er es
gemeint haben mag.
Solange in Deutschland die kulturelle Vergangenheit als der
Inbegriff von Kultur gilt und sie den Bärenanteil der Finanzmittel ohne
Rücksicht auf die avancierten Künste und auf die Entwicklung einer
neuen integralen kulturellen Qualität verschlingt, wird die
Gesellschaft durch ihre kulturelle Rückwärtsgewandtheit im
Innovationsstau stecken bleiben.
Die Ernte verfallen zu lassen oder den Ressourcenverschleiss stoppen?
Nach der gegenwärtigen Lage der Dinge ist es nicht verwunderlich, wenn
die avancierten Künste und Künstler heute mehr oder minder
individualistisch agieren; es bleibt ihnen kaum eine andere Wahl. Denn
ohne vernünftige strukturelle Grundlagen können die avancierten Künste
der Gegenwart kaum künstlerische Ereignisse hervorbringen, die
zukunftstragfähig und tief in die Gesellschaft hineinwirken. Paradox und
beschämend, dass viele Milliarden für die künstlerische Ausbildung
aufgewendet werden, aber bisher kaum Strukturen bestehen, um dieses
„Humankapital“ an Kreativität und wacher Intelligenz für die
Gesellschaft zu erschliessen. Es ist, als ob ein riesiges Feld bestellt
würde, um die Ernte verfallen zu lassen. Dieser Ressourcenverschleiss ist auf Dauer inakzeptabel. Die Idee des Zukunftsforums bietet die Möglichkeit, diesen Ressourcenverschleiss zu stoppen und das vorhandene
zukunftsorientierte Kreativitäts-, Intelligenz- und
Innovationspotential durch inter- und transdisziplinäre
Strukturentwicklung gesellschaftlich relevant zu
erschliessen. Erst durch die Innovation des Struktursystems kann Kultur wieder zu einer
Verknüpfungsleistung der unterschiedlichen Daseinsebenen menschlichen
Lebens und zu einem Resonanzpool werden, aus dem die Gesellschaft als
Ganzes ihren Konsens und Zusammenhalt zu schöpfen und so den
Anforderungen der Zukunft auf hohem Niveau zu genügen vermag.
Maßstäbe für die Stadtentwicklung der Zukunft setzen
Zumal Kreativität, Intelligenz und Know how als der eigentliche
Reichtum der Gesellschaft gelten müssen, wären die notwendigen
Investitionen für ein solches Zukunftsforum ausserordentlich sinnvoll
eingesetzt: sie würden für die gesamte Gesellschaft einen hohen
Mehrwert und Synergien von immenser Schubkraft bringen. Und in der
Mitte von Berlin ein unglaublich attraktives Zentrum, das – anstatt an
das alte Stadtschloss erinnern zu wollen - durch seine
städteplanerischen, architektonischen, künstlerischen, ökologischen,
energietechnischen und verkehrsplanerischen Qualitäten Maßstäbe für die
Stadtentwicklung der Zukunft setzen könnte.
Kaum eine andere europäische Hauptstadt hat solch eine Chance der
Neuplanung und Neubebauung eines so großen innerstädtischen Areals
aufzuweisen; ob Berlin sie zum wiederholten Mal verspielt?
Die Ideenskulptur wurde entwickelt anlässlich des Kortex-Entwurfseminars mit H. Johannes Wallmann
an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Fachbereich Architektur / Professor Lothar Eckhardt / Wintersemester 2001/2002
Neu durchgesehen: Dezember 2013
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