Der blaue Klang - Eine Neue Einheit zwischen Mensch und Natur
Landschaftsklang-Komposition für voneinander weit entfernte Vokal- und Orchestergruppen von H. Johannes Wallmann, 2004
Eine Neue Einheit zwischen Mensch und Natur
Auf fast spielerische Weise reflektiert DER BLAUE KLANG grundlegende kulturelle Fragestellungen der Moderne. Im Wechselspiel zwischen den voneinander weitentfernten Instrumental- und Vokalgruppen, zwischen Klang und Stille, zwischen Teil und Ganzem sowie zwischen den optischen und akustischen Relationen führt diese Landschaftsklang-Komposition vor Ohren und Augen, dass eine Neue Einheit zwischen Mensch und Natur machbar ist
und dass sich natürliches Vorhandensein und menschliches Gestalten harmonisch ergänzen könnten, anstatt sich gegenseitig zu zerstören.
(s.a. "ARIA", KLANG FELSEN HELGOLAND, "pastorale - aus lebendem sein", "der-gruene-klang.de", "gleich den Vögeln" )
Sommerliche Aufführungen in weiträumigen Parks und Gartenlandschaften
Das zwischen 2002 und 2004 entstandene Werk wurde für sommerliche Aufführungen in weiträumigen Parks und Gartenanlagen sowie entsprechenden Landschaftsräumen geschaffen.
Uraufführung im "Garten der Aufklärung", UNESCO-Welterbe Wörlitzer Anlagen
Uraufführung am 3. Juli 2004: Anhaltische Philharmonie Dessau, Leitung und Einstudierung (unter Mitwirkung des Komponisten): Golo Berg, Markus L. Frank, Wolfgang Kluge
Solisten: Ksenija Lukic - Sopran, Elvira Dreßen - Alt, Volker Arndt - Tenor, Jörg Gottschick - Bassbariton | Vokalgruppen: Konzertchor Darmstadt (Leitg.: Wolfgang Seeliger)
Veranstalter/Kooperationspartner
Anhaltisches Theater Dessau in Kooperation mit der Kulturstiftung DessauWörlitz,
mit freundlicher Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Lotto-Toto Sachsen-Anhalt GmbH, der Lamdesmarketing Sachsen-Anhalt GmbH und des Freundeskreises des Dessauer Theaters e.V.
Areale und Positionierungen der Vokal- und Orchestergruppen
DER BLAUE KLANG besteht aus 3 Zusammenstellungen und 9 Klangarealen, die auf die jeweiligen akustischen und landschaftlichen Gegebenheiten des Aufführungsortes eingerichtet werden können. Die genaue Auswahl und Positionierung der Vokal- und Orchestergruppen erfolgt entsprechend der akustischen und landschaftlichen Gegebenheiten, die n.M. vom Komponisten recherchiert werden.
Das Publikum bewegt sich durch das Orchester
Während die Musiker - koordiniert mittels Funkuhren - nach der sekundengenau notierten Partitur spielen bzw. singen, können die Zuhörer in dieses Areal hineingehen, sich bis zu 2 Stunden und 49 Minuten in ihm bewegen und – durch ihren je eigenen Rhythmus zwischen Gehen und Verweilen - sich den musikalischen Ablauf in gewisser Weise selbst zusammen stellen. D.h., dass sich das Publikum durch das - in einer Landschaft oder einem Park - positionierte Orchester bewegt, seine Wahrnehmung in einen großen Landschaftsraum hinein öffnet und die Komposition faszinierender akustischer Wechselspiele zwischen nahen und fernen Instrumenten/Stimmen nachvollziehen kann.
An die Musiker und Musikerinnen:
DER BLAUE KLANG ist wie eine zenbuddhistische Übung oder wie ein Gebet aufzuführen. Unabhängig davon, ob die Zuhörer stehen oder sich zwischen den jeweiligen Positionen bewegen.
Das Weitergehen der Zuhörer sollen alle Mitwirkenden bitte nicht als Missachtung missverstehen, denn es ist Bestandteil des für dieses Projekt notwendigen Hörverhaltens. Die detaillierte Klanggwanderkarte gibt es genau dafür.
Realisation einer musikalischen Utopie
Musikalisch wurde mit dieser Landschaftsklang-Komposition eine Utopie realisiert, wie sie z.B. von Claude Debussy (1862-1918) in seinem Essay "Musik im Freien" oder von Charles Ives mit der Idee einer „Universen Symphonie“ schon vor längerer Zeit formuliert wurde. Philosophisch definierte Wallmann KLANG ALS ZUSAMMENSCHWINGEN UNTERSCHIEDLICHER TEILE ZU EINEM GANZEN. (Diese Definition gilt hier auch dann noch, wenn man das Ganze nicht insgesamt wahrnehmen kann, weil man immer eine je eigene Wahrnehmungsperspektive einnimmt.)
Gedankliche Anknüpfung
"Der gelbe Klang" lautet ein Titel, den der Bauhaus-Meister Wassily Kandinsky bereits 1912 für eine Bühnenkomposition verwendete. So knüpft sowohl die Landschaftsklang-Komposition DER BLAUE KLANG als auch der DER GRÜNE KLANG bewusst an den Ideen des Bauhauses an (und damit an der Idee des integralen Zusammenwirkens der Künste sowie der kulturellen Erneuerung). In beiden Kompositionen (die im Umkreis von Weimar bzw. Dessau – also den Orten des ehemaligen Bauhauses uraufgeführt wurden) werden Musikkomposition und Landschaftsgestaltung zu einer integralen Einheit verschmolzen. DER BLAUE KLANG verbindet dabei Ideen der Moderne mit Ideen der Aufklärung.
Die Idee der kulturellen Erneuerung ist nicht nur eine Grund-Idee von Integral-Art, nicht nur eine Grund-Idee des Bauhauses, sondern auch eine Grund-Idee der Aufklärung, die Fürst Franz mit seinem Wörlitzer „Garten der Aufklärung“ und seiner umfassenden Bildungsinitiative in die Tat umzusetzen suchte. Dies sind große kulturelle Vermächtnisse der Dessauer Region, bedeutsam für die gesamte deutsche und europäische Kultur. So gesehen könnten Aufführungen von DER BLAUE KLANG in dieser Region - und über sie hinaus - dazu beitragen, die Bewusstseins- und Reflektionslücke zwischen Aufklärung und Moderne zu schließen.
Die Texte
Die Vokalparts erklingen nach Texten von Ulrich Schlotmann, Schmuel Jakub Imber, der alten SATOR-AREPO-Formel (die schon Anton Webern Gegenstand kompositorischer Überlegungen war) sowie von dem Komponisten selbst. Die Texte sind in dem anliegenden Programmheft enthalten (pdf-Datei, ca. 1000 kB). Die SATOR-AREPO-Formel bedeutet in der Übertragung des Komponisten:
S C H Ö P F E R M E N S C H BEWAHRE – VERKNÜPFE – ENTFALTE D I E W E R K E D E R B E W E G U N G
Während mit Schlotmanns Text die Statik, Kraft oder Zartheit von unterschiedlich schnell verlaufenden Zyklen und Kreisläufen deutlich wird, erinnert Imbers Text "An die Kommenden" auch daran, dass der Mensch mit seinem Schicksal und seiner Intelligenz selbst Teil von Zyklen und Kreisläufen ist und diese mitgestaltet. Wallmanns Text fokussiert mit den Worten "string" und "integral" auf moderne Gedankengänge, wie z.B. der Super-Stringtheorie (einer astrophysikalischen Theorie, die davon ausgeht, dass sich alle Materie aus schwingenden Mini-Saiten zusammensetzt), der Chaostheorie oder der Idee einer Integralen Moderne.
Die musikalische Form
Die Komposition unterscheidet neun "Halbsätze", die in drei unterschiedlichen Abfolgen zusammengestellt sind. Diese drei Zusammenstellungen können ggf. durch zwei 4-minütige Zwischenspiele voneinander getrennt sein, in denen nur Glocken und Saxophon erklingen. 12 Übergangstöne (Tonhöhen einer 12-Tonreihe) verbinden wie ein roter Faden alle Teile der Komposition. Ausser dem Halbsatz "string integral" (C3), der alle zwölf Tonhöhen einbezieht, basieren alle anderen Halbsätze auf jener Tonhöhenskala, die Wallmann nach seiner Farbklang-Theorie als "blau" definiert. Die einzelnen Halbsätze sind nach dem Variationsprinzip komponiert und erklingen stets auf allen Positionen gleichzeitig. Bis auf den - nur zweimal erklingenden - Halbsatz "ohne worte" (B3) hat der Zuhörer durch die drei Zusammenstellungen die Möglichkeit, jeden Halbsatz dreimal und - je nach der Wegstrecke, auf der er sich selbst befindet - von unterschiedlichen Interpreten zu hören.
Die Komposition ist auf 1800 Partiturseitensekundengenau fixiert. Sie dauert zwischen 53 Minuten (Zusammenstellung 1) und 2 Stunden und 49 Minuten (Zusammenstellung 1-3) und wird nach einem Zeitcode mittels Funkuhren gesteuert.
Der musikalische Ablauf
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Pressestimmen zur Uraufführung am 3. Juli 2004:
Mitteldeutsche Zeitung, 9.7. 2004, von Ilka Hillger:
Zerbster Volksstimme, 6.7. 2004, von Stefan Mohr
"Das Wetterrisiko unterstreicht die auf glückliche Umstände angewiesene Einzigartigkeit dieser Landschaftsklang-Komposition", kündigte der Komponist an. Das Wetter hat gehalten. In den Wörlitzer Anlagen haben am Sonnabend etwa 1300 Gäste ein außergewöhnliches Erlebnis genossen: die vom Anhaltischen Theater Dessau in Kooperation mit der Kulturstiftung DesaauWörlitz gestaltete Uraufführung von H. Johannes Wallmanns Landschaftsklang-Komposition "Der Blaue Klang". ... Mit und in jedem neuen Areal wurde der Besucher immer wieder auf´s Neue von optischen und akustischen Wirkungen und Eindrücken überrascht. "So bewusst habe ich den Park, obwohl ich ihn schon oft besucht habe, noch nie gesehen" sagte sichtlich bewegt ein älterer Oranienbaumer Gast. ... Größte Anerkennung all denen, die dieses unzweifelhaft monumentale Kunstwerk geschaffen und umgesetzt haben."
Mitteldeutsche Zeitung, 5.7.2004, von Andreas Hillger
Volksstimme Magdeburg, 5.7.2004
Berliner Zeitung, 3./4.7. 2004, von Klaus Georg Koch
MDR-Figaro, 8.7. 2004, von Gisela Nauck
musikalischen Strukturen zwar eine musikalisch-landschaftliche Einheit gestiftet, in der Musik aber auch Redundanzen erzeugt. Nur wenige Momente, in denen sich - etwa mitten auf dem See - Klangpartikel zu einer zarten Textur von ganz eigenem Zauber verbanden, ließen etwas von Wallmanns innovativen Schönheitsvorstellungen ahnen."
Aachener Zeitung, 5.7. 2004:
“Mit viel Beifall ist die Uraufführung ... von Johannes Wallmann im Unesco-Weltkulturerbe Wörlitzer Park bedacht worden.“
Hörerstimmen zur Uraufführung am 3. Juli 2004:
- "Lieber Herr Wallmann, „Der Blaue Klang“ in den Wörlitzer Anlagen war ein überwältigender Erfolg! Das ist hauptsächlich Ihr Verdienst, wofür ich mich im Namen der Kulturstiftung, aber auch persönlich auf diesem Weg sehr herzlich bedanken möchte. ..." (Dr. Thomas Weiss, Direktor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz)